Studieren im Heiligen Land

Liebe Besucher unserer Homepage,

manche von Ihnen kennen vielleicht Daniel Götzfried aus den Gottesdiensten als Organist. Seit 2 Jahren studiert Daniel nun evangelische Theologie. Es ist etwas Besonderes, wenn sozusagen ein „Kind der Gemeinde“ diesen Weg einschlägt.

Theologie kann man nun nicht nur an den deutschen Universitäten, sondern auch im Ausland studieren. Daniel Götzfried hat sich im Juli auf den Weg nach Israel gemacht. Vieles wird er im Heiligen Land lernen, erfahren und erleben. Wir freuen uns sehr, dass er uns auf diesem Weg immer mal wieder an seinen Erlebnissen teilhaben lässt. Aber nun genug der Worte. Nehmen Sie sich einfach etwas Zeit und lesen Sie die interessanten Eindrücke seiner ersten Wochen…

1. Bericht von Daniel Götzfried

שלום (Shalom) liebe Gemeindemitglieder und Homepagebesucher der Paulanergemeinde,

für ein Jahr darf ich im Rahmen meines Theologiestudiums an der Hebräischen Universität in Jerusalem studieren und dabei das Land Israel und die Menschen dort kennenlernen. Mein Name ist Daniel Götzfried. Geboren und aufgewachsen bin ich in Amberg. Als Familie (meine Eltern und meine beiden älteren Brüder) haben wir oft die Paulanerkirche besucht. Dort wurde ich auch konfirmiert. Nach meinem Abitur absolvierte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr beim CVJM in Hof und startete anschließend im Herbst 2012 das Studium der evangelischen Theologie in Neuendettelsau.

Dort wurde ich auf das Studienprogramm „Studium in Israel e.V.“ aufmerksam. Dabei handelt es sich um ein bundesweites Studienprogramm der EKD, das es Theologiestudierenden ermöglicht, ein Jahr lang in Jerusalem zu leben und zu studieren. Ein Schwerpunkt von „Studium in Israel e.V.“ ist die Auseinandersetzung mit dem Judentum und damit die Förderung des christlich-jüdischen Dialogs. Ein Jahr lang in Israel leben, mehr über meinen eigenen christlichen Glauben lernen, dem Judentum intensiv begegnen, auf den Spuren Jesu wandeln – diese und weitere Punkte motivierten mich, den Schritt nach Israel zu wagen.

Am 31. Juli 2014 konnte die „Reise nach Jerusalem“ also beginnen. Schon im Voraus war klar, dass ich in einer 2er-WG in der mitten in der Altstadt Jerusalems wohnen würde. Die Wohnung ist sicherlich nicht mit deutschen Standards vergleichbar, aber wir haben hier alles was wir brauchen und können das Leben in der Altstadt hautnah miterleben. Die ersten sieben Wochen verbrachten ich und die zwölf anderen TeilnehmerInnen des Studienprogramms damit, einen Intensivsprachkurs der Uni zu besuchen und dort – wie der Name schon sagt – wirklich intensiv Ivrit (modernes Hebräisch) zu lernen. Der Sprachkurs forderte sehr viel Zeit und so war es mir nicht möglich, die Stadt ausführlich zu besichtigen oder im Land umherzureisen. Nach Ablauf der 7 Wochen durfte ich allerdings erst einmal drei Wochen Urlaub genießen. Ich habe die Zeit genutzt, um Jerusalem zu erkunden und um in den Golanhöhen zusammen mit anderen TeilnehmerInnen aus unserem Studienprogramm Wandern zu gehen. Dabei habe ich festgestellt, dass Israel ein unglaublich schönes Land ist. Es gibt sehr viele verschiedene Landschaften, von Wüste bis Wald ist eigentlich alles dabei. Auch Jerusalem hat natürlich einiges zu bieten. Viele bedeutsame Orte, wie zum Beispiel die Grabeskirche oder den Ölberg, habe ich besucht.

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Nach dem Urlaub – Ende Oktober – ging dann das Semester los. Von „Studium in Israel e.V.“ müssen wir zwei Veranstaltungen verpflichtend besuchen: einen weiteren Sprachkurs für Ivrit und einen Talmud-Kurs. Beim Talmud geht es um jüdische Schriftauslegung. Wie haben also einzelne Rabbiner die Aussagen der Tora verstanden und für das alltägliche Leben ausgelegt? Die Diskussion um die richtige Auslegung ist dabei uferlos – und sie wird heute noch weitergeführt. Das ist allerdings nicht negativ zu sehen; im orthodoxen Judentum ist das lebenslange Studium der Tora und das Ringen um die richtige Auslegung ein guter und sinnvoller Gottesdienst. Oft bleiben Diskussionen dabei allerdings ohne Ergebnis. Neben dem Sprach- und dem Talmud-Kurs konnte ich noch weitere Veranstaltungen wählen. Der Unterricht findet auf Hebräisch statt. Einerseits ist das natürlich gut für meine Sprachkenntnisse, andererseits aber auch ziemlich herausfordernd, weil ich nicht alles verstehe, was die Dozenten sagen. Dennoch macht das Studium hier sehr viel Spaß.

In meiner Freizeit gehe ich gerne Joggen, mache Musik oder versuche, noch weitere Orte innerhalb Jerusalems zu besuchen. Man kann eigentlich nicht genug Zeit dafür aufwenden, es gibt in dieser Stadt wirklich so viel zu sehen. Derzeit bin ich noch auf der Suche nach einem Chor, in dem ich mitsingen kann. Aber auch hier wird es sicher einige Möglichkeiten geben.

Nun ist Jerusalem natürlich nicht nur eine Stadt, um in ihr zu studieren oder sämtliche Orte zu besichtigen. Jerusalem ist natürlich auch eine Stadt – die Stadt – der Religion(en). Ich erlebe hier, gerade in der Altstadt, ein dichtes Auf-, Neben- und manchmal auch ein Durcheinander der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Nahezu jeden Tag beispielsweise werde ich vom Glockenleuten der Kirchen geweckt; vier bis fünf Mal am Tag ist der Gebetsruf der Muezzine, der per Lautsprecher die ganze Altstadt erfüllt, zu hören; und eigentlich an jeder Ecke sind orthodoxe Juden mit ihren typischen schwarzen Mänteln und Hüten zu sehen. Religion pur, Religion überall – so lässt es sich durchaus ausdrücken, denke ich. Es ist sehr interessant, das zu beobachten. Als Studiengruppe haben wir auch einige Male einen Synagogengottesdienst besucht. Auf der anderen Seite können diese religiöse Atmosphäre und die „Heiligkeit“ dieser Stadt auch anstrengen. Ich bin immer wieder dazu herausgefordert, gedanklich meinen eigenen Standpunkt zu formulieren: wo stehe ich als Christ, als Nachfolger Jesu inmitten dieser verschiedenen Religionen und Konfessionen? Ich befinde mich ich einer ganz anderen Welt, definitiv.

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Diese andere Welt ist sicherlich auch davon geprägt, dass es hier nicht immer ganz friedlich vor sich geht. Gerade in den letzten Tagen und Wochen hat es Jerusalem und Israel leider mal wieder in die deutschen Nachrichten geschafft. An die konstante Polizei- und Militärpräsenz in der Stadt habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Durch die Anschläge der vergangenen Wochen auf eine Straßenbahnhaltestelle und eine Synagoge ist die Atmosphäre in der Stadt allerdings nochmal etwas angespannter. Gerade, wenn man Jerusalem einmal verlässt (wie letztes Wochenende) und dann wieder zurückkommt, merkt man, dass es in den Menschen brodelt. Teilweise patrouillieren Hubschrauber über der Stadt, Rucksackkontrollen gibt es an allen möglichen Stellen, immer wieder sind in der Nacht laute Böllerschläge zu hören, die sich nicht unbedingt nach einem Hochzeitsfeuerwerk (wie sonst üblich) anhören. Und meist fehlt das Ventil für die Menschen hier, ihrer Wut und ihrem Frust über die Situation Luft zu machen. Einige wenige tun das leider, indem sie Anschläge verüben und Menschen töten. Es ist ein Konflikt, der für mich fern und nah zugleich ist. Fern, weil ich als Ausländer und Unbeteiligter völlig macht- und hilflos vor den gewalttätigen Ereignissen stehe und nah, weil ich in dieser Stadt lebe und damit Teil des Ganzen bin.

Trotz dieser traurigen Auseinandersetzungen geht es mir hier gut. Denn was in Jerusalem auch ganz deutlich wird: das Leben geht weiter, und das muss es auch. Wenn am Tag nach einem Anschlag das Leben seinen gewohnten Gang geht, dann erscheint mir das zunächst seltsam. Für die Bevölkerung hier jedoch gehört es scheinbar zum Alltag. Und mal ehrlich, was bleibt einem auch anderes übrig? Jerusalem, Israel. Eine Stadt, ein Land voller Schönheit, voller Spannung (positiv wie negativ), voller Herausforderungen und voller Faszination. Ich bin froh, diese Erfahrungen hier machen zu dürfen.

Ich schicke Ihnen/Euch liebe Grüße in die Heimat nach Amberg und wünsche Gottes Segen.

להתראות (Lehitraot) – Tschau

Daniel Götzfried

 

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