Liebe Besucher unserer Homepage,
im letzten Bericht durften wir erfahren, wie sich die Osterbotschaft bei Sonnenaufgang über Jerusalem anfühlt. Daniel Götzfried, evangelischer Theologiestudent aus Amberg, ist nun schon fast am Ende seines Aufenthalts im sogenannten Heiligen Land angekommen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, bricht er wohl immer mehr seine Zelte ab und macht sich auf den Weg zurück in die Oberpfalz. Er wird hier auf eine ähnliche Hitze treffen, wie er sie aus Jerusalem kennt. Aber lesen Sie doch selbst…
שלום (Shalom) liebe Gemeindemitglieder und Homepagebesucher der Paulanergemeinde,
nun bin ich fast am Ende meiner Zeit hier in Israel angekommen, in ein paar Tagen sitze ich im Flieger auf dem Weg zurück nach Deutschland. Wie schnell die Zeit doch vergeht… Ich möchte die Gelegenheit also nutzen und Ihnen noch einmal von meinem Aufenthalt in diesem Land berichten.
Sonnenaufgang über Galiläa
Seit ungefähr Ende April/Anfang Mai hat die Regenzeit aufgehört. Es regnet also bis Oktober/November mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht mehr, stattdessen sind Sonne und Mond meist durchgängig zu sehen und die Temperaturen steigen enorm. Obwohl es in Jerusalem noch verhältnismäßig kühl ist, haben wir auch hier schon die 40-Grad-Marke geknackt. Der nicht unbedingt kurze und sehr bergige Weg von meinem Zimmer in der Altstadt bis zur Hebräischen Uni kristallisiert sich also immer mehr als schweißtreibende Arbeit heraus; auch wenn ich sehr gerne Fahrrad fahre, bin ich nicht undankbar, wenn ich diesen Weg nicht mehr fahren muss J.
Gerade befinde ich mich in der letzten Woche des zweiten Semesters. Es ist deutlich zu spüren, dass die Zeichen auf Semesterferien stehen, eigentlich alle meine Kurse laufen langsam und mehr oder weniger entspannt aus. Wirklich viel zu tun gibt es an der Uni nicht mehr. Allerdings werde ich eine Woche nach Semesterschluss noch eine weitere Talmud-Prüfung ablegen müssen. Gerade das Seminar zu Jesus in Judentum, Christentum und Islam war aber dennoch sehr spannend. Wir haben Jesus unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet (z.B. Menschensohn, Gottessohn, etc.) und verglichen, was jeweils Bibel, Talmud und Koran dazu sagen. Verschiedene Vertreter aus den einzelnen Religionen haben uns dabei in Vorträgen und Referaten wichtige Informationen an die Hand gegeben.
Im Begleitprogramm von „Studium in Israel e.V.“ haben wir uns intensiv mit der Landfrage aus biblischer und politischer Sicht beschäftigt. Beispielsweise haben wir einen Studientag zum Kairos-Palästina-Dokument abgehalten sowie mit palästinensisch-christlichen Vertretern des Bethlehem Bible College und einzelnen Siedlerfamilien in der Westbank gesprochen. Die Meinungen gehen dabei auseinander, wie es extremer nicht sein könnte. Die einen sehen in der heutigen Siedlungspolitik die Erfüllung der biblischen Landverheißung und bekräftigen somit auch das aus ihrer Sicht selbstverständliche Recht, diese Politik voranzutreiben. Die anderen betrachten die biblischen Aussagen über das Westjordanland als von Israel missbraucht, um die Eroberung der Westbank und die Vertreibung des palästinensischen Volkes zu rechtfertigen. Auf die unterschiedlichen Positionen im Detail einzugehen, würde den Bericht sprengen. Aber die Intensität des Konfliktes, die wir in den Gesprächen und Begegnungen erlebt haben, lässt für mich die Hoffnung auf eine baldige – vielleicht auch auf eine Lösung überhaupt – schwinden. Die Frage nach dem „Wie?“ erscheint angesichts der festgefahrenen Meinungen beider Seiten übermächtig. Doch Gott sei Dank, die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so darf es keinesfalls sein, den Konflikt sich selbst zu überlassen, auch wenn bisher vielleicht noch keine Antwort auf die Wie-Frage nach einer Lösung gefunden wurde.
Mittagspause der Studierenden
Ein großes Highlight in den vergangenen Monaten und auch im gesamten Jahr war unsere einwöchige Jordanienexkursion. Gemeinsam mit einem Tour-Guide und einem Polizisten, die uns begleitet haben (in Jordanien ist das bei Gruppen Pflicht), bereisten wir dieses wunderschöne Land. Mit einem straffen Programm auf dem Papier haben wir zahlreiche biblische, historische und archäologische Stätten besucht. Aus biblischer Sicht zum Beispiel den Berg Nebo (Dtn 34,1-12), Gadara (Mt 8,28-34) und Jerash (= Gerasa; Mk 5,1-20/Lk 8,26-39). Sehr beeindruckend war die Besichtigung der Felsenstadt Petra. Riesige, mitten in den blanken Fels gehauene Bauten durften wir dort bestaunen. Bei den meisten davon handelt es sich um Grabstätten, aber auch Häuser, Tempel und Opferaltäre sind zu sehen. Viele der Bauwerke sind durch die massiven Felsfassaden gut gegen Wind, Sand und Wasser geschützt, wodurch man die reichen Verzierungen teilweise noch sehr gut sehen kann. Es ist unglaublich, wie die Menschen vor rund 1.500 Jahren solche eindrucksvollen Gebäude errichten konnten.
Petra – Jordanien
Mit Jordanien habe ich persönlich auch das Gefühl gewonnen, nochmal mehr in die arabischen Welt und Kultur eingetaucht zu sein. Gerade nach unserer Rückkehr habe ich festgestellt, dass Israel doch ein recht multinationales Land ist (bei meinem Zuhause, der touristischen Altstadt Jerusalems, ist das sicherlich auch kein Wunder). Jordanien weist deutlich mehr das Flair des Nahen Ostens auf, was sich einmal in der Sprache, aber natürlich auch in der Kultur niederschlägt. Es war ganz große Klasse, dass wir die Möglichkeit hatten, mit Jordanien eine weitere Seite des Nahen Ostens kennenzulernen. Wer einmal die Gelegenheit hat: Jordanien ist auf jeden Fall eine Reise wert.
Ich hoffe, Ihnen/Euch mit meinen Berichten einen kleinen Einblick in dieses unglaublich vielseitige Israel gegeben haben zu können, schicke liebe Grüße in die Heimat nach Amberg und wünsche Gottes Segen.
להתראות (Lehitraot) – Tschau und bis bald…
Daniel Götzfried
Jerusalem