Herbstzeit – Erntezeit

Kidia ist ein kleines Dorf in Tansania, am Fuß des Kilimandscharo, mitten in den Bananen. Die Hütten liegen weit verstreut, es gibt keine geteerten Straßen und niemand, der ein Auto hat. Die Menschen sind sehr arm. Sie ernähren sich überwiegend von dem, was im Garten wächst.

 

Vor viereinhalb Jahren, im März 2012, besuchte ich die dortige lutherische Gemeinde. Am Sonntag hatte ich das Glück, einen Gottesdienst mit der Gemeinde feiern zu können. Dabei erlebte ich etwas Erstaunliches. Verschiedene Gemeindeglieder kamen zum Altar, erzählten, wofür sie Gott dankbar waren, beispielsweise für die Genesung nach schwerer Krankheit, dann gaben sie ihr Dankopfer und wurden gesegnet.

 

Am Ende des Gottesdienstes ging die Gemeinde singend aus der Kirche heraus und versammelte sich auf dem großen Platz davor. Nun begann die Versteigerung, die, wie ich erfuhr, jeden Sonntag stattfindet. Viele Frauen hatten etwas aus ihrem Garten mitgebracht: Mais, große Bündel Bananen, Süßkartoffeln, Gemüse. Sie hatten es auf ihrem langen, bis zu zweistündigen Fußmarsch zur Kirche geschleppt – auf dem Kopf. Das alles wurde nun versteigert; das Geld kam der Kirchengemeinde zugute. Die Bananen bekam ich anschließend als Gastgeschenk.

 

Angesichts dieser Erntegaben mitten im März, also in der Passionszeit, fragte ich meinen afrikanischen Kollegen, wann denn die evangelischen Christen in Tansania Erntedank feiern würden. Denn in Tansania, das am Äquator liegt, gibt es nicht Jahreszeiten wie bei uns, sondern Regenzeit und Trockenzeiten wechseln sich ab. Wann also ist Erntedankfest?

Erstaunter Blick. „Jeden Sonntag“, sagte er. „Wir haben immer zu danken.“

 

Einmal im Jahr feiern wir in unseren Kirchen Erntedankgottesdienst, heuer am 2. Oktober. Mit Weintrauben, Spinat, Kürbis, Sellerie, Äpfel, Birnen, Quitten, die Gemeindeglieder mitbringen, und hoffentlich mit vielen Menschen.

Ich freue mich auf diese besondere Gelegenheit. Und jedes Mal esse ich mit Genuss und Bedacht und denke gerne an die Christen in Kidia, die mich daran erinnern, dass Erntedank nicht nur einmal im Jahr ist.

 

Ihre Pfarrerin Heidrun Bock