Ein Gruß aus der Nachbarschaft zur Jahreslosung von Pfarrer Dr. David Scherf, Erlöserkirche
In dem Moment als Marianne die Diagnose bekam, waren sie plötzlich da – die Zweifel. Wie konnte es sein, dass es ausgerechnet sie traf? Freilich, sie hatte nicht immer nur Glück im Leben. Aber im Großen und Ganzen lief doch immer alles ganz gut. Und immer hatte sie das Gefühl, dass sie nicht alleine war. Sie war sich immer sicher, dass Gott an ihrer Seite steht, und seine Hände schützend über sie hält. Nie hatte sie Zweifel daran, dass es anders sein könnte. Doch nun, nun war plötzlich alles anders. Da waren sie – die Zweifel. Die, von denen sie sich sicher war, dass sie sie niemals bekommen würde. Zu groß waren ihr Glaube und die Sicherheit die ihr Glaube ihr geschenkt hatte. Mit dem Zweifel kam die Verzweiflung. Hatte sie jemals richtig geglaubt? Wenn sie nun plötzlich an allem Zweifeln hatte? Jetzt würde Gott sie doch erst recht verlassen; wenn er das nicht schon längst getan hat.
„Ich glaube – Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24)
Mit diesem Brief hatte Marianne nicht gerechnet. Von ihrer alten Kirchengemeinde. Solange war es her, dass sie dort ihre Konfirmation gefeiert hatte, bevor sie mit ihren Eltern fort zog. Als sie den Brief öffnete, lag die Einladung da. 25 Jahre war es jetzt her, dass der Pfarrer sie dort konfirmiert hatte. Geärgert hatte sie sich damals. Als ihr Pfarrer diesen komischen Konfirmationsspruch für sie ausgesucht hatte. „Ich glaube – Hilf meinem Unglauben!“ Warum hatte ausgerechnet sie diesen Spruch über den Unglauben bekommen? Wo ihr Glaube doch schon im Jugendalter so fest gewesen ist. „Du wirst es irgendwann verstehen“ hatte er gesagt. Und sie hatte ihren Konfirmationsspruch schon lange vergessen.
„Ich glaube – Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24)
Marianne schlug ihre Bibel auf und fand die Geschichte. Der Vater ist verzweifelt. So viele Jahre ist sein Sohn schon krank und niemand kann ihm helfen. Als er von dem Mann hört, der angeblich Wunder tun kann, läuft er zu ihm. Er fleht ihn an: „Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns.“ (Mk 9,22) Jesus antwortet ihm: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.“ (Mk 9,23) Er kann nicht mehr. So viele Jahre hat er angesehen, wie sein Sohn leidet und nun bekommt er von dem Mann, auf den er seine letzte Hoffnung gesetzt hat, nur diese Antwort. Er sinkt zu Boden und schreit Jesus an: „Ich glaube – Hilf meinem Unglauben!“ Und Jesus heilt den Jungen.
„Ich glaube – Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24)
Marianne verstand. Gerade dort, wo die Hoffnung am Ende ist, steht Gott den Menschen bei. Gerade dort, wo der Glaube den Menschen verlässt, entwickelt der Glaube manchmal seine stärkste Kraft.
Ein gesegnetes Jahr 2020 getragen von Hoffnung und Glauben wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer David Scherf