Gedanken zu Ostern

Liebe Besucherin, lieber Besucher unserer Webseite,

in diesem Jahr fallen Ostern und das Passahfest und die Mitte des Ramadan auf dasselbe Wochenende, das gibt es nicht oft, das letzte Mal ist über dreißig Jahre her. Nehmen wir es als Zeichen und Aufruf zu Verbundenheit, wo sonst an so vielen Orten der Welt Zerrissenheit herrscht und vor allem der Krieg in der Ukraine viele Menschen die uralte Frage neu stellen lässt: wie kann Gott so viel Bosheit, Herrschsucht und Gewalt zulassen, die sich in Angriffen auf Wohngebiete, Krankenhäuser, Zivilpersonen zeigt?
Da ist es ein schönes, wenn auch kein geplantes, weil dem Zufall der jeweiligen Kalender geschuldetes, Zeichen, dass die drei großen monotheistischen Religionen, ihre zentralen Feiern zeitgleich und zeitverbunden feiern können.
Und Passah wie auch die christlichen Feiertage von Gründonnerstag bis Ostern verbindet ja dieselbe Geschichte: Befreiung aus Sklaverei, Aufbruch in ein neues Leben, das sich Gott und seiner Führung anvertraut. Im Fall des Volkes Israel war das ganz wörtlich gemeint mit dem Auszug aus Ägypten und dem Zug durch die Wüste in das gelobte Land. Im Fall Jesu und später des Christentums bedeuten Abendmahl, Kreuzigung, Tod und Auferstehung dieselben Schritte aus Abhängigkeit von selbst- bzw. menschengemachten Abhängigkeiten in die Freiheit eines neuen Anfangs in der Hoffnung auf vollkommene Erlösung am Ende der Zeit.
Die Geschichte der Befreiung ist sehr wirkmächtig, so sehr, dass selbst christliche Herrscher sie manchmal zu unterdrücken versuchten: in der Karibik gab es im 18 Jahrhundert Bibelausgaben für Sklaven, die diese Geschichte der Befreiung aus Sklaverei wegließen, so sehr fürchteten die Sklavenhalter Gottes Wort. Sie wollten zwar einerseits, dass die beherrschten und misshandelten Menschen den „richtigen“ Gott vermittelt bekamen, aber gleichzeitig enthielten sie ihnen die deutlichste Wirkweise Gottes vor: nämlich die Befreiung. Überflüssig zu sagen, dass es anders kam, als die um die Freiheit „bereinigten“ Bibelausgaben es beabsichtigten, denn Gott lässt sich durch menschliches Leugnen oder Ignorieren nicht abschaffen und kommt letztlich doch immer wieder so zum Vorschein: als Offenbarung neuer Freiheit.
Und deswegen ist das Gedenken an Befreiung und neue Anfänge und neues Leben immer gleichzeitig Geschenk und Auftrag: Geschenk, weil es alle Lasten abnimmt, die uns niederdrücken können. Auftrag, weil ein befreiter Mensch nach der Befreiung zwangsläufig anders lebt als vorher. Denn er sieht nun klar, was belastet, unterdrückt und abhängig macht und wird es folgerichtig benennen und im Hier und Jetzt schon zu leben versuchen, als sei schon alles gut, auch und gerade dort, wo es das nicht ist. Und auch wenn damit ein Einzelner keinen Krieg beenden kann, ist die Feier der Auferstehung Gottes eine entschiedene Kampfansage an alle Mächte des Todes. Wenn wir uns also in diesen Tagen „frohe Ostern“ wünschen, dann sollten wir das nicht nur auf die Gemütsregung Fröhlichkeit begrenzt verstanden wissen, sondern in seinem sehr viel weiteren Sinn als eines Siegesjubels des Lebens über den Tod. Und die Kraft, die solcher Jubel uns Menschen gibt, soll uns fähig machen, in aller Unvollkommenheit, in aller Not, in allem Leiden Zeichen zu setzen, dass Gott das letzte Wort haben wird und die, die ihn hören, zuletzt und also am besten lachen werden.

In diesem Sinn und trotz allem: Frohe Ostern
Ihr und euer Joachim v. Kölichen